Das Hängetrauma – Gefährdung und Prävention

Arbeiten auf dem Dach sind risikoreich. Das wissen wir aus unserer jahrzehntelangen Erfahrung mit Absturzsicherungen. Bei einem Absturz ist nicht nur der Fall an sich gefährlich, sondern es besteht noch ein ganz anderes Risiko: Das Hängetrauma. Ursprünglich entdeckt in den 70er Jahren, steht das Hängetrauma in Verdacht die eigentliche Todesursache für Gekreuzigte zu sein. Es entsteht, wenn durch längeres bewegungsloses freies Hängen ein Schockzustand ausgelöst wird.

Was ist ein Hängetrauma?

Bereits das Aufstehen vom Liegen zum Stehen stellt unseren Körper vor eine kleine Herausforderung. Beim Aufstehen versackt eine nicht unerhebliche Menge Blut in den Beinvenen, was sich auf den arteriellen Blutdruck auswirkt. Unser Körper unternimmt eine Reihe von Gegenmaßnahmen, wie das Verengen von Arterien oder die Erhöhung der Herzfrequenz, um den Blutdruck zu erhöhen. Es kann auch helfen zu stehen oder zu gehen.

Sind diese Mechanismen überfordert, zwingt uns der Körper wieder zum Hinsetzen oder Hinlegen um sich zu regulieren. Im freien Hängen ist dies aber nicht möglich. Dazu kommt der fehlende Gegendruck auf die Füße. Dadurch kann die Muskelpumpe nicht angeregt werden. So versackt zunehmend Blut in den herabhängenden Körperteilen. Das kann binnen einer halben Stunde zu einem lebensbedrohlichen Schock und einer anhaltenden Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff führen.

Gefährdung und Symptomatik

Das Auftreten eines Hängetraumas bei einem gesundheitlich fitten Höhenarbeiter mit angepasster und sachgemäß benutzter Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz, die in eine Absturzsicherung eingeklinkt ist, ist sehr unwahrscheinlich.

Allerdings kann ein Hängetrauma jeden in einem Auffanggurt ereilen. Zum Beispiel, wenn Sie nach einem Sturz für längere Zeit „hilflos“ im Auffanggurt hängen, schlecht angepasste oder unsachgemäß genutzte Gurte tragen, sich beim Sturz verletzt haben oder auch bewusstlos sind.

Zudem wird ein Hängetrauma begünstigt durch Faktoren wie Angstzustände und Schreck, Erschöpfung, Flüssigkeitsmangel, Witterungseinflüsse und psychische Belastungen.

Maßnahmen zur Verhinderung eines Hängetraumas

Brinkemper Workshop Haengetrauma
Stefan Brinkemper von amh Absturzsicherungen erläutert auf einem Workshop Schutzmaßnahmen, um den Gefahren von Hängetraumata vorzubeugen.

Wie viel Zeit verstreicht, bis das Hängetrauma eintritt, ist bei jedem unterschiedlich. Bei einigen freiwilligen Probanden konnten die ersten Anzeichen eines Hängetraumas bereits nach wenigen Minuten festgestellt werden.

Ist man nach einem Fall in der misslichen Lage frei zu hängen und noch bei Bewusstsein und bewegungsfähig, kann man aktiv eingreifen. Um Blutstau zu verhindern, ist es nötig, die Beine zu bewegen oder im Optimalfall gegen einen Widerstand zu drücken.

Kleine Hilfsmittel, die dies möglich machen, sollten bereits vorsorglich an der PSA gegen Absturz befestigt werden. Es gibt verschiedene Methoden, etwa ein Halteseil mit Längeneinstellvorrichtung, das an den beiden seitlichen Halteösen des Auffanggurtes angebracht wird und so eingestellt werden kann, dass die betreffende Person ihre Füße in die Seilschlaufe stemmen kann. Auch die Prusikschlinge, eine Reepschnur mit einem lösbaren Klemmknoten, wird am Sicherungsseil befestigt. Durch das Hineintreten in die Schlinge kann die Person ein Bein entlasten. Die Nutzung der Prusikschlinge ist komplex und so sollte diese nur von geübten Höhenarbeitern genutzt werden.

Sind weder Halteseil noch Prusikschlinge vorhanden, kann auch ohne Hilfsmittel zumindest für wenige Minuten Linderung verschafft werden. Dazu kann man einfach mit einem Fuß fest auf den anderen treten und beim unteren Fuß die Fußspitzen fest nach oben ziehen.

Erste Hilfe bei Hängetrauma

Als erste Maßnahme sollte die Person aus der frei hängenden Position befreit werden. Ist die Person nicht bewusstlos, blutet nicht stark und atmet normal, sollte der Verunfallte mit erhöhtem Oberkörper gelagert werden. Achtung: Wird der Patient sofort flach gelagert, besteht das Risiko eines akuten Herzstillstands, da das Blut schnell zurück in die obere Körperhälfte fließt und das Herz überlasten kann. Ist der Patient bewusstlos, atmet aber normal sollte die stabile Seitenlage herbeigeführt werden. Sollten Bewusstlosigkeit und unregelmäßige Atmung zusammen kommen, führen Sie eine Wiederbelebung durch.

Dies sind lediglich die Hinweise für die erste Hilfe – rufen Sie im Fall eines Absturzes in jedem Fall einen Notarzt, auch wenn keine sicht- oder fühlbaren Anzeichen eines Hängetraumas ersichtlich sind.

Prävention

Die beste Art einem Hängetrauma zu entgehen ist das Fallen zu vermeiden. Bei der Erstellung einer Gefährdungbeurteilung sollte auch berücksichtigt werden, dass eine Person abstürzen kann und dann regungslos im Gurt hängt und schließlich aus dieser Situation gerettet werden muss.

Es sollte im Voraus ein Rettungskonzept erstellt werden, die nötigen Maßnahmen zur Rettung müssen regelmäßig trainiert werden. Das Risiko eines Hängetraumas kann durch folgende Faktoren gemindert werden: Achten Sie auf die Auswahl von fachlich versierten, aber auch physisch und psychisch gesunden Personen. Die PSA gegen Absturz sollte für die Umgebung geeignet sein und an die jeweilige Person angepasst werden. Für die Unterweisung und Übungen zur Nutzung von PSA gegen Absturz sind die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der DGUV „Grundsätze der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1 (ehem. BGV/GUV-V A1)) zu befolgen. Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten A2.1 schreiben vor, dass ein Rettungskonzept vorliegen muss, bevor die Arbeiten beginnen. Zudem muss die nötige Rettungsausrüstung immer leicht zugänglich vor Ort sein. Außerdem ist für eine Rettung mindestens eine zweite Person erforderlich, die Sofort- und Rettungsmaßnahmen einleiten kann. Idealerweise sind die Retter und Ersthelfer mit der Problematik des Hängetraumas und den passenden Erste Hilfe Maßnahmen vertraut.

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